Nicht aller Hopfen und Malz verloren

    Jahre lang ging es nur aufwärts – jetzt hat Covid-19 den Boom in der Brauereibranche zum Stocken gebracht. Nichtsdestotrotz haben sich die Brauereien zum Ziel gesetzt, unter dem neuen Präsidenten des Schweizer Brauerei-Verbandes SBV, CVP-Nationalrat Nicolo Paganini, diese Krise mit viel Kreativität zu meistern und künftig noch diversifizierter und digitaler aufgestellt zu sein.

    (Bilder: pixabay) Jetzt heisst es wieder Prost: Das Feierabendbier hat nach wie vor Tradition – auch wenn die Gastronomie noch auf Sparflamme läuft.

    Herr und Frau Schweizer mögen Bier. Dies zeigt der Po-Kopf-Bierkonsum, der sich seit Jahren zwischen 54 und 58 Liter eingependelt hat. Dies obwohl, seit Aufzeichnungsbeginn noch nie so wenig alkoholhaltige Getränke konsumiert wurden. «Bier kann sowohl seinen Ausstoss als auch den Konsum in etwa auf gleichem Niveau halten», stellt Marcel Kreber, Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes SBV, fest. Aktuell gibt es in der Schweiz 1156 Brauereien. Allerdings brauen die 57 grössten Brauereien in der Schweiz über 98 Prozent des Schweizer Biers. Die restlichen 1100 Brauereien stehen somit für zwei Prozent. Anfang der 90er-Jahre begann für die Branche mit dem Auslaufen des Bierkartells ein neues und dynamisches Kapitel. Es war geprägt vom Einbruch des Pro-Kopf-Konsums von 71 Liter im Jahr 1990 auf 57 Liter im Jahr 2000, einem schrumpfenden Markt und daraus folgenden Überkapazitäten und Betriebsschliessungen sowie ausländischen Bierkonzerne, die den Schweizer Markt aufmischten. «Mit der liberalen Gesetzgebung setzte aber auch ein Boom von Neugründungen von Brauereien ein», so Kreber. Und er ergänzt: «Wer in der Schweiz Bier braut, ist grundsätzlich steuerpflichtig. Eine Ausnahme bildet das Brauen für den Eigenkonsum, welcher auf 400 Liter pro Jahr begrenzt ist. Wird mehr gebraut oder das Bier verkauft, setzt automatisch die Steuerpflicht ein, mit der Konsequenz, dass die Brauerei – und mag sie noch so klein sein – im Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien geführt wird.» Eine abgeschlossene Berufsausbildung im Brauwesen als Voraussetzung für die Gründung einer Brauerei schreibt der Gesetzgeber nicht vor. Somit finden sich auf der Liste der registrierten Brauereien auf der einen Seite die grossen Namen der Braubranche und auf der anderen Seite die Hobby- und Kleinstbrauerei aus dem Nachbarsdorf, die wie Pilze aus dem Boden schiessen. Diese Entwicklung hatte eine grosse Vielfalt der unterschiedlichsten Biere zur Folge. Neue Bierstile eroberten den Markt und das Image des Bieres hat sich in den letzten Jahren sehr positiv verändert. «Natürlich haben unser Verband mit Imagemassnahmen wie auch die Brauereien mit ihren hervorragenden Bieren den Trend verstärkt», freut sich Kreber. Momentan sind bitter-fruchtige India Pale Ales, aber auch leichte Sommerbiere und alkoholfreie Biere sehr beliebt.

    Der SBV hat in den letzten Jahren auf clevere und attraktive Art die breite Öffentlichkeit für die reichhaltige Schweizer Bierkultur gestärkt – beispielsweise mit dem Swiss Beer Award. Die nationale Prämierung von Bieren verschiedenster Stile, welche von Brauereien in der Schweiz oder Liechtenstein gebraut werden, hat die schweizerische Braulandschaft mit ihrer immensen Biervielfalt und Qualität in der breiten Öffentlichkeit fest verankert.

    Jetzt gilt es zu überleben: 2020 wird gemäss SBV-Direktor Marcel Kreber ein miserables Jahr für die Brauereien.

    «Es ist eine sehr wichtige Veranstaltung für die Brauszene Schweiz. Die Kriterien für den Erhalt einer Auszeichnung sind streng. Neben dem Bestehen einer Laboruntersuchung und einer Etikettenkontrolle auf Gesetzeskonformität muss das Bier auch die renommierte Jury sensorisch überzeugen», weiss Kreber. Auch der Bierorden, der unter dem Patronat des SBV 1972 gegründet wurde, fördert die Bierkultur nachhaltig. Dabei können der Verband und seine Mitglieder Personen, die sich für die Förderung des Bieres besonders verdient gemacht haben, den Bierorden «Ad Gloriam CEREVISIAE» – zu Deutsch zu Ehren des Bieres – verleihen. Heute gehören rund 400 Personen dem Orden an.

    Trotz Corona Lehrabschluss im Sack
    Im Moment stecken die Brauereien Corona-bedingt in einer schwierigen Zeit fest, dazu Kreber: «Mit dem Lockdown und dem einhergehenden schockartigen Wegbrechen des Gastronomiekanals haben unsere Brauereien unvermittelt ihre Einkünfte verloren. Denn rund 40 Prozent des gesamten Bierabsatzes macht die Gastronomie aus. Bei einigen Brauereien beträgt dieser Anteil sogar 90 Prozent.» Auch wenn nun der Detailhandelskanal zugelegt hat, vermag dies die erlittenen Verluste niemals zu kompensieren. Zudem sind alle kulturellen Anlässe, Gewerbeausstellungen, Konzerte, Festivals bis in den Herbst abgesagt. Nicht einmal der Ball rollt regelmässig und die Zwangspause im Schweizer Fussball ist für die Branche eine grosse Herausforderung. Die Gastronomie hat zwar wieder geöffnet – allerdings nur mit angezogener Handbremse. «2020 wird ein miserables Jahr für die Brauereien und ich hoffe von Herzen, dass so viele Brauereien wie möglich diese Krise überleben.»

    Ein wichtiges Kapitel der SBV- Verbandsaufgaben ist die Aus- und Weiterbildung. Der Verband ist in der Arbeitsgemeinschaft Lebensmitteltechnologen vertreten und koordiniert alle brauspezifischen Ausbildungen wie überbetriebliche Kurse und Schulunterricht mit Fachlehrern und Ausbildnern. Zusätzlich organisiert er jährlich einen Weiterbildungstag für die Brauerei-Angestellten seiner Mitglieder. «Mit GastroSuisse bieten wir die Ausbildung zum Schweizer Bier-Sommelier an und mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften die Weiterbildung zum/r akkreditierten Biersensoriker/in», ergänzt Kreber. Diesen Sommer haben 12 Lebensmitteltechnologen Schwerpunkt Bier – also Bierbrauer – ihre Prüfung abgeschlossen. Dazu haben die jungen Berufsleute unter den erschwerten Umständen eine anspruchsvolle praktische Prüfung absolviert. Trotz Corona treten im August zudem 11 Lernende ihre dreijährige Lehre an.

    Der SBV engagiert sich auch auf politischer Ebene. Hier setzt er sich aktuell gegen die Einführung eines Pflichtpfandes ein – dies im Verbund der gesamten schweizerischen Getränkebranche. «Die Schweiz verfügt über kundenfreundliche und effiziente Recyclingsysteme für Aluminiumdosen, Glasflaschen und PET-Getränkeflaschen. Diese sind passgenau auf den Schweizer Getränkemarkt und die gesamte Abfallbewirtschaftung abgestimmt», argumentiert Kreber. «Ein Pflichtpfand würde diesem Schweizer Recyclingsystem schaden und hohe Kosten verursachen, ohne einen zusätzlichen Umweltnutzen zu bringen.»

    Nicolo Paganini ist neuer Präsident
    Seit Ende April hat der engagierte Verband mit dem St. Galler CVP-Nationalrat Nicolo Paganini einen neuen Präsidenten. Als ausgebildeter Biersommelier hat er grosse Erfahrung und Know-how in der Branche und stellt so mit seiner eigenen Handschrift in einer schwierigen Zeit die Kontinuität im Verband sicher. Neue Möglichkeiten bietet auch die Digitalisierung in der Branche. Sie hat gerade durch die aktuelle Situation in den letzten Monaten einen Schub erlebt. Dabei ist das Internet of Things ein grosses Thema, aber auch Online-Einkäufe haben während dem Covid-19-bedingten Lockdown zugenommen und die Brauereien gezwungen, neue Vertriebskanäle zu erschliessen. «Die Brauereien dürften künftig diversifizierter und digitaler aufgestellt sein und versuchen, mehrere Standbeine – Detailhandel, Gastronomie, Online-Handel, Heimlieferservice etc. – aufrecht zu erhalten», so Kreber. Er ist überzeugt, dass auch in Zukunft die Schweiz eine grosse Anzahl an offiziell registrierten Brauereien aufweisen wird: «Die Passion zur Schweizer Braukultur wird von Bestand sein. Qualität, Innovation, Vielfalt, Service und Kommittent werden auch in Zukunft entscheidend sein, ob eine Brauerei erfolgreich am Markt agiert oder nicht.».

    Corinne Remund


    DAS MACHT DER SBV

    Ein «Wohlfühlpaket» für die Mitglieder

    Rund 80 Bierbrauer schlossen sich 1877 in Olten zum Schweizerischen Bierbrauerverein – dem Vorläufer des heutigen Schweizer Brauerei-Verbandes SBV – zusammen. Dabei wollten sie unter der Initiative von Bierbrauer Feller aus Thun gemeinsam die Branche weiterentwickeln und so die vermehrten Bierimporte aus Deutschland verhindern. Heute erfüllt der SBV die klassischen Verbandsaufgaben: Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegen aussen, erhebt Statistiken, und setzt sich für die Aus- und Weiterbildung ein. Ebenso beantwortet der engagierte Verband fachtechnische Fragen, nimmt die Drehscheibenfunktion zwischen Bund, Kantonen, deren Behörden und seinen Mitgliedern wahr und pflegt sein Netzwerk mit Anlässen wie beispielsweise «Der Tag des Schweizer Bieres» und tauscht sich mit anderen Verbänden, Vereinen, Organisationen und Institutionen aus. Der SBV engagiert sich auch politisch und bringt seine Anliegen ein. Ganz nach dem Motto «Geht nicht, gibt es nicht» hat sich der SBV zum Ziel gesetzt, seinen Mitgliedern ein «Wohlfühlpaket» zu bieten.

    Der Verband zählt 24 Brauereien aus der gesamten Schweiz – darunter der grösste Teil KMU mit bis zu 50 Mitarbeitenden. Sie produzieren jährlich je mindestens 200’000 Liter Bier. Rund 50’000 direkte und indirekte Arbeitsplätze sind mit der Branche verbunden. Diese generiert jährlich über eine Milliarde Franken.

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